Michael Weißer im Interview
Der Leitfaden “Reimbursement of Medical Devices in Germany” ist jüngst in der sechsten Auflage erschienen. Seit der Erstveröffentlichung im Jahr 2016 hat sich die Publikation zu einem Bestseller entwickelt, der regelmäßig bei der AiM nachgefragt wird.
Die Broschüre gibt einen Überblick über die Erstattung von Medizinprodukten in Deutschland. Hier antwortet der Autor und Geschäftsführer der AiM – Assessment in Medicine, Michael Weisser, zu den Hintergründen und Besonderheiten der Veröffentlichung:
Was gab den Ausschlag zur ersten Auflage der Broschüre?
MW: Wir hatten bereits eine große Zahl an Seminaren zu unterschiedlichen Aspekten der Erstattung gehalten. Immer wieder fragten uns dabei die Teilnehmer, ob wir unterstützend eine gute Übersicht über die Erstattungsregeln in Deutschland empfehlen können. Uns war aber keine praxisnahe Publikation bekannt, die dieses Thema kurz und trotzdem umfassend darstellt. Daher haben wir uns entschieden, selbst ein solches Produkt zu schaffen. Wir haben uns dann für einen Leitfaden entschieden, der nicht nur textlich, sondern vor allem auch mit Hilfe von Grafiken die Grundzüge der Erstattung von Medizinprodukten in Deutschland darstellt.
Warum ist es denn notwendig, die Erstattungsregeln zu verstehen? Was erleben Sie in Ihrer täglichen Beratungspraxis, die AiM ist ja auf die Beratung von Medizintechnikunternehmen spezialisiert?
MW: Wir wollten unseren Kunden einen Überblick geben, denn bei unserer Beratung arbeiten wir zwar oft mit Kunden zusammen, die selbst ausgesprochen sachkundig im Bereich der Erstattung sind, aber das ist nicht immer der Fall. Viele unserer Kunden nutzen daher gerne den Leitfaden als Startpunkt für die ersten Gespräche mit uns und fragen regelmäßig nach der neuesten Auflage. Und wir beraten natürlich nicht nur, sondern stehen auch mit vielen Partnern aus dem öffentlichen und akademischen Umfeld in Dialog, die ebenfalls gerne den Leitfaden nutzen.
Wie unterschiedlich sind die Bedürfnisse der Leserschaft?
MW: Das hängt natürlich davon ab, wie stark der jeweilige Leser bereits mit der Medizinprodukteindustrie und dem deutschen Gesundheitssystem vertraut ist. Leser aus dem öffentlichen Bereich interessiert vor allem, wie das deutsche System dafür Sorge trägt, dass Innovationen mit hohem Patientennutzen schnell die Patienten erreichen und gleichzeitig darauf achtet, dass die Sicherheit der Patienten gewährleistet und die Gesundheitsleistungen wirtschaftlich bleiben. Hier wird das Erstattungssystem als Ganzes betrachtet. Leser aus der Industrie hingegen interessieren sich nicht für das deutsche Erstattungssystem in seiner Gesamtheit, sondern sie wollen wissen, welche Regeln für ihr konkretes Medizinprodukt gelten.
Die Broschüre erläutert nicht nur die Erstattungsregeln, sondern enthält auch Marktdaten und beschreibt die CE-Zertifizierung. Warum sind diese beiden Themen ebenfalls für die Leser wichtig?
MW: Das Erstattungsverfahren, das wir in Deutschland haben, ist für viele Leser außerhalb Europas schwer einzuordnen, da jedes Land sein eigenes Gesundheits- und Erstattungssystem hat. Daher war es uns wichtig, die deutschen Erstattungsregeln in den regulatorischen Kontext zu stellen. Marktdaten haben wir aufgenommen, weil durch diese der deutsche Markt in Vergleich zu anderen bedeutenden Medizinproduktmärkten gestellt werden kann. Beides hilft den Lesern, das Thema Erstattung und die Bedeutung der Erstattungsregeln für den deutschen Markt im europäischen Kontext zu verstehen.
Warum wurde die Broschüre nicht auch in deutscher Sprache verfasst?
MW: Unsere Partner im Ausland haben oft ein größeres Informationsbedürfnis. Sie kennen das deutsche Gesundheitswesen nicht und haben oft keine Erfahrung mit der Erstattung in Deutschland. Daher war es uns wichtig, mit dieser Broschüre ein Basiswissen zum deutschen Gesundheitssystem zu vermitteln, denn sonst sind die Erstattungsregeln unverständlich. Die häufig im Erstattungsbereich verwendeten Abkürzungen haben wir im Anhang aufgenommen und übersetzt. Das ist für die nichtdeutschen Leser eine Hilfe, denn diese wissen nicht, wofür beispielsweise die Abkürzung IQWiG steht. Das Informationsbedürfnis dieser Zielgruppe ist einfach größer als das der deutschsprachigen Leserschaft, daher haben wir uns auf die englische Version konzentriert. Die Broschüre wird allerdings auch viel von deutschen Lesern genutzt, die dann die allgemeinen Ausführungen zum Gesundheitssystem natürlich überblättern.
Es liegt nun die sechste Auflage vor, wie haben sich die Auflagen inhaltlich im Laufe der Jahre verändert?
MW: Natürlich haben wir weitere, in den vergangenen Jahren hinzugekommene Vorschriften aufgenommen und erklären sie. Dazu gehört vor allem die Methodenbewertung im Zusammenhang mit stationär angewandten Innovationen nach §137 h SGB V. Auch das Feedback der Leser ist eingeflossen. So haben wir haben beispielsweise Hinweise zu der Zeitplanung bei der Erstattung hinzugefügt.
Was planen Sie für die nächsten Jahre?
MW: Wir haben gemeinsam mit den Kollegen vom IGES Institut vor drei Jahren einen Leitfaden zu digitalen Gesundheitsapps verfasst. Dieser ist ebenfalls sehr gut angekommen und wurde jüngst neu aufgelegt. Da sich in dem Bereich Digitalisierung und Medizintechnik gegenwärtig viel bewegt, werden wir an dem Thema dranbleiben und immer wieder Informationen anbieten.